Kinokomödie "Yesterday": Die Beatles? Wer sind denn die Beatles? - SPIEGEL ONLINE

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Kejar Tayang |

All you need is Love - und die Beatles: In "Yesterday", einer allzu niedlichen Komödie von Danny Boyle und Richard Curtis, erinnert sich niemand an die Fab Four - außer einem verkrachten Indie-Musiker.

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Universal Pictures

Irgendwo in dem sehr liebenswerten Kitsch von "Yesterday" schlummert ein sehr guter Film. Vielleicht hätte Danny Boyle, der Regisseur von "Trainspotting" und "28 Days Later", ihn drehen können, wenn nicht das Drehbuch von Richard Curtis stammen würde. Während Boyle in den Neunzigerjahren mit seinen Filmen die Schattenseiten von Britpop-Mania und "Cool Britannia" ausleuchtete, kleisterte Curtis sie mit seinen bürgerlich-biederen Rom-Coms wie "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und "Notting Hill" und viel Oberklassen-Poshness wieder zu.

Dass nun ausgerechnet diese beiden Gegenpole des modernen britischen Kinos zusammen einen Film über die nachhaltige Magie der Beatles gemacht haben, scheint ebenso absurd wie auf zwingende Weise logisch. Denn "Yesterday" ist die gutherzige, zutiefst romantische Komödie, die das Brexit-gebeutelte Großbritannien gerade gut gebrauchen kann: Worauf sich die Nation vermutlich auch in größter Spaltung immer wird einigen können, ist ihr stolzes Popkultur-Erbe. Man gönnt den Briten zwei Stunden Verschnaufpause in ihrem Stress. Aber man hätte trotzdem gerne einen Film mit mehr Biss gesehen.

Doch gegen die altgedienten, hervorragend funktionierenden Story-Mechanismen eines Richard Curtis ist offenbar auch ein Danny Boyle machtlos - oder aber es waren sich beide Filmemacher einig, dass man allergrößte Behutsamkeit und Blauäugigkeit walten lassen muss, wenn es um die ehrwürdigen, übermächtigen Beatles geht. Fair enough: Ohne die Beatles kein moderner Pop: Die Welt wäre ein sehr düsterer Ort ohne sie.

Ach ja? Im England von "Yesterday" ist eigentlich alles wie immer, obwohl eines Nachts wegen eines kosmischen Kurzschlusses für 12 Sekunden der Strom ausfällt - und sich danach plötzlich niemand mehr an die Beatles erinnern kann. Außer einem. Der verkrachte Indie-Songwriter Jack Malik (Himesh Patel) aus Suffolk wird während des Stromausfalls von einem Bus angefahren und wacht im Krankenhaus wieder auf.

Der Sohn indischer Einwanderer büßt bei dem Unfall zwei Vorderzähne ein, die Welt aber verlor die Beatles. Das merkt Jack, als er, wieder genesen, mit Freunden am Meer sitzt und auf seiner neuen Gitarre einen Lied zum Besten geben soll. Er spielt, was man so spielt, wenn einem gerade nichts Besseres einfällt: "Yesterday". Zunächst glaubt er, seine Clique will ihn veräppeln, als ihn alle für seinen genialen neuen Song bewundern: "Kommt schon, Leute, das ist einer der großartigsten Songs, die je geschrieben wurden", versucht Jack den Joke zu lösen, aber die Freunde halten ihn nur für größenwahnsinnig: Ganz nett, aber nun auch nicht Coldplay, hämt einer. Haha.

Solche Gags gibt es zuhauf in "Yesterday", vor allem in der ersten Hälfte, wenn Jack bei der Google-Suche immer nur auf "Beetles" stößt und dann fieberhaft versucht, sich so viele Beatles-Klassiker wie möglich in Erinnerung zu rufen. Wie war das gleich noch in "Eleanor Rigby" mit der Kirche, den Socken und Father McKenzie? Verdammt! Aber ihm ist klar: Das Vermächtnis der Fab Four darf nicht sterben.

Es kommt, wie es kommen muss: Jack tritt in einer lokalen TV-Show mit seiner Version von "In My Life" auf, Ed Sheeran (der echte) ruft ihn an, besucht ihn zuhause und nimmt ihn dann gleich mit auf Tournee. In Moskau spielt Jack dann "Back in the U.S.S.R" vor johlenden Russen. Und backstage lässt er sich auf einen Wettbewerb mit dem schön passiv-aggressiven Sheeran ein - und gewinnt. Natürlich.

Und so geht es weiter: Schmunzelsicher getragen von jener entwaffnenden Slapstick-Version eigentlich nervtötender Britishness, mit der Curtis berühmt geworden ist - und von einer Liebesgeschichte, die, Love is schließlich all you need, den Kern des Films bildet: Denn in seinem Wahn, erfolgreicher Musiker zu werden, ist dem sympathischen, aber begriffsstutzigen Jack nie aufgefallen, dass seine sonnenscheinhafte Freundin und Managerin Ellie ("Cinderella" Lily James) schon seit Kindheitstagen in ihn verknallt ist.


Yesterday

UK 2019
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Richard Curtis, Jack Barth (Story)
Cast: Himesh Patel, Lily James, Kate McKinnon, Joel Fry, Ed Sheeran
Produktion: Working Title, Etalon Films
Verleih: Universal
Länge: 116 Minuten
FSK: keine Altersbeschränkung
Start: 11. Juli


Nun wird Jack mithilfe seiner kompetent gecoverten Beatles-Songs tatsächlich zum Superstar und muss sich in Los Angeles mit einem zynischen Musikindustrie-Drachen (Kate McKinnon) herumplagen - sie will aus dem stoffeligen Briten ein Pop-Idol formen und Millionen an ihm verdienen. Aber je größer Jacks Ruhm, desto drückender die Albträume, der ganze Betrug könnte spektakulär auffliegen. "Help me!" singt er in einer Konzertszene mit markerschütternder Panik.

Wer Curtis-Schmachtfetzen wie "Love Actually" und "Notting Hill" liebt, der findet an "Yesterday" nicht viel zu meckern: Er liefert eine mitreißend sentimental inszenierte romantische Komödie mit reichlich Beatles-Songs zum Mitsingen. Man kennt sie ja, zum Glück.

Im Video: Der Trailer zu "Yesterday"

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Aber das ist natürlich ein Problem, wenn man immun gegen Curtis-Kitsch ist: Spätestens nach der Hälfte des Films ist langweiligerweise klar, worauf der Plot am Ende zusammenschrumpfen muss: Erfolg oder Ellie. Weltverarschung oder wahre Liebe.

Interessant wäre, wenn der Film hier eben nicht die erwartbare Antwort geben würde. Toll wäre, wenn die alten Beatles-Klassiker eben nicht mehr dieselbe Magie entfalten würden wie vor 50 Jahren, weil sich Ansprüche an Pop geändert haben: Stell dir vor, du spielst "Yesterday" und keinen kümmert's!

Aber so viel Blasphemie können Boyle und Curtis nicht zulassen. Eine Welt, in der Beatles-Songs nicht unmittelbar und bedingungslos von jedem geliebt werden, ist für sie nicht vorstellbar. Es bleibt bei einer braven Verbeugung. Das ist ganz niedlich, aber es rockt nicht.

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2019-07-10 10:03:00Z
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