Der Wendler in Oberhausen: Zigarren für ihn, Kinderschokolade für sie - SPIEGEL ONLINE
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Unregulierte Knick-Knack-Fantasien, Flinten-Foxtrott, VIP-Kroketten - und ja: Laura war auch da. Michael Wendler feierte vor 3000 tanzenden und mampfenden Menschen sich und seine junge Freundin.
"Alles, wir brauchen alles!" Es klingt wie der hymnisch gemeinte Refrain eines Gröhleschlagers, aber die Servicefrau, das ist ungewohnt an diesem Abend, meint es wirklich ernst: "Alles, Kroketten, Schnitzel, Braten!", ruft sie ihrem Kollegen zu und scharrt im Alubottich mit den Rotkohlresten. Wer nämlich für das "XXL"-Konzert von Michael Wendler in der Oberhausener Turbinenhalle keine reguläre Eintrittskarte, sondern für 75 Euro ein VIP-Ticket erworben hatte, bekommt dafür nun während des gut zweieinhalbstündigen Konzerts in einem Nebenraum ein Büfett aufgetischt, das geruchlich und durch die fatalistische Präsentation längst vernarbt geglaubten Erinnerungen grob den Grind abzieht. Dafür kann der Wendler nichts, da muss man fair bleiben, aber: It's Erstkommunionsfeier in Oberfranken all over again.
Die Halle ist ausverkauft, 3000 Menschen sind gekommen, die den Wendler sehen wollen. Nicht aber, da sind sie geschmacksfiltermäßig bemerkenswert feinporig, den sogenannten Currywurstmann: Chris Töpperwien, möglicherweise bekannt als imbissbudenbetreibender "Goodbye Deutschland"-Auswanderer oder Dschungelcamp-Nemesis von Bastian Yotta, eröffnet den Abend, es ist eine schlechte Idee.
Die Halle buht schon nach dem ersten Lied, unverdrossen legt er mit einer Coverversion des Pur-Liedes "Lena" nach, das er auf "Laura" umgedichtet hat, zu Ehren von Wendlers Backfischfreundin: "Laura, du hast es oft nicht leicht", singt er also, was sachlich bestimmt richtig ist, und macht ein eh schon belastendes Lied noch eine Schippe belastender, weil man bei der Textzeile "Seelen aneinander reiben" jetzt leider sofort den wendlerschen Unterdeckenfummler aus dem "Sommerhaus der Stars" vor Augen hat.
Hochengagiert gesungene Bumsefantasien
Dann kommt Schlagersänger Frank Neuenfels auf die Bühne, um als Ansager eine weitere Ansagerin anzusagen, die eben besungene Laura Müller nämlich, die ihm in die Arme stöckelt, für den weiteren Ablauf aber nun nicht wirklich zwingend gebraucht würde, sie steht eher darum auf der Bühne, weil es sie nun einmal gibt. Beide zusammen sagen dann Connor Meister an, einen weiteren Schlagersänger, der hochengagiert von unregulierten Bumsefantasien singt: "Alles erlaubt/nichts ist verboten/keine No-Gos für heute Nacht."
Das ist dramaturgisch alles sehr geschickt gemacht, man freut sich nun wirklich, als schließlich Michael Wendler auf die Bühne kommt - mit sechs Tänzerinnen, die man aus der Ferne und mit leichter Sehschwäche allesamt für Laura halten könnte. Schade, dass sie keine Gitarren umgeschnallt haben, dann könnte man das Folgende als Persiflage auf das schöne "Addicted to Love"-Video von Robert Palmer sehen, nur eben zu Uffzi-uffzi-Schlagerdröhnbeat.
"Was soll ich im Himmel/wenn doch alle in der Hölle sind?", singt Wendler. Die Tänzerinnen hauen eine straffe Synchron-Choreo raus, es ist ein Mix aus Cheerleading und Trikotpräsentation bei Bayern München, und man macht sich schon bereit, direkt hineinzurutschen in diese Gallertwelt, die einen gelig einlullt, als gäbe es kein Draußen, kein Gestern und kein Morgen und keine ernsthafteren Probleme als jenes, dass die Angebetete diesen komischen Typen am anderen Ende der Bar jetzt aber doch schon verdächtig lange anschaut, diesen Mann, der reich und schön ist, und man selbst hat doch nicht mehr als ein Herz aus Gold, bitte bleib, ohne dich geh' ich drauf.
Wo Fliegen noch sexy ist
"Ich liebe Autos und ich fahr gern schnell/weiß alles besser und ich rede viel", singt Wendler dann, und da drängelt sich dann doch kurz noch die Außenwelt ins Bild, weil einem direkt ein paar prominente Menschen in aktuellen Debatten einfallen, auf die diese Zeile wunderbar passen würde. Gleich fällt einem auch noch auf, wie viele Wendler-Lieder, Schlager ja generell, das Fliegen als erotische Metapher gebrauchen: "Halt dich fest, wir werden fliegen/ Halt dich fest, es geht schon los/Nie mehr unter geh'n, nur noch Himmel seh'n", singt er, auch Connor Meister hatte natürlich "verboten" noch auf "Piloten" gereimt und den Geschlechtsakt mit "und wir fliie-geeen durch die Nacht" schwülisiert. Ob Schlagertexte bald der einzige Ort sein werden, in dem ungebremste, sinnlose Fliegerei noch als dezidiert sexy empfunden wird?
Der Wendler ist inzwischen warmgelaufen und reißt nun immer wieder die Arme zur Seite, als wär er der Heiland am Kreuz, seine typische Bühnenpose, die hier allerdings noch ein bisschen ulkiger wirkt, weil die Menschen in der Halle zwar engagiert mitsingen, ansonsten aber größtenteils eher verhalten rumdastehen. Schon nach einer halben Stunde verschleudert er "Sie liebt den DJ", oben im Vip-Bereich, auf dem Balkon, tanzen jetzt die ersten Paare Disco-Fox, und zwar der Herr mit dieser lange nicht mehr gesehenen, leicht buckligen Körperhaltung, als würde er mit seinem tangostarr ausgestreckten, linken Arm nicht eine Frau herummanövrieren, sondern lauernd eine Flinte anlegen.
Hinter dem Wendler laufen während der Songs Videos von ihm die ihn dabei zeigen, wie er diese Songs singt, nur sitzt er dabei in teuren Autos oder geht Lonesome-Wendler-mäßig irgendwo umher - trotz plakativer Laura-Präsenz kann man ja die prinzipiellen Verfügbarkeitsfantasien nicht komplett abwürgen.
Anzügliches über einen Küchentisch
In einem Video aber ist er ein Feuerwehrmann, der in Feuerwehrmannuniform, aber mit diesen rätselhaft nur am Oberschenkel weißgewetzen Jeans auf dem Dach eines Feuerwehrautos steht und singt: "Wenn die Feuermelder brennen/dann regnet's von der Decke/Trinken Brause mit viel Schaum", singen der Leinwand-Wendler und der Bühnenwendler, und dann noch etwas Anzügliches über einen Küchentisch.
Extrem routiniert schaufelt er sich so durch sein Programm und das Playback-Gewummer, zu dem er live singt, das immerhin. Herrlich albern wird es, als er dann noch einen Gitarristen auf die Bühne holt, als könnte der, wenn er denn wollte, dem übermächtigen Autoscootersound etwas entgegensetzen. Die Lieder haben sich da längt zu einem einzigen vermischt, man hat nach zwei Stunden akzeptiert, dass es niemals enden wird, dass es hier in der Turbinenhalle also zu Ende gehen soll, und ist seltsam okay damit.
Oben auf dem Balkon trudelt eine Männergruppe in äußerster betrunkener Rührseligkeit und singt jede Zeile des Wendler-Hits "Nina" mit, auch wenn sie den Namen der besungenen Frau nicht mehr so gut hinkriegen. "NINER!", brüllen sie also, "ich bin wieder im Fieber!", es ist sonderbar rührend. "Ich habe so eine geile Stimmung noch nie erlebt, das meine ich ganz ehrlich", sagt Michael Wendler am Schluss, und wenn das ausnahmsweise auch wahr ist, ist es ein bisschen traurig.
Zuhause schaut man die Insta-Story von Laura Müller, die die Fangeschenke herzeigt, die Michael Wendler bekommen hat: Zigarren für ihn, Kinderschokolade für sie.
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2019-09-29 10:06:00Z
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