Umstrittene Studie zum TV-Konsum: Ist Netflix der Totengräber von ARD und ZDF? - SPIEGEL ONLINE
Judul : Umstrittene Studie zum TV-Konsum: Ist Netflix der Totengräber von ARD und ZDF? - SPIEGEL ONLINE
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In Deutschland stirbt das klassische Fernsehen. Das legt zumindest eine Studie nahe, der zufolge US-Streamingdienste RTL, ARD und ZDF den Rang ablaufen. Die Öffentlich-Rechtlichen widersprechen.
Die Zahlen könnten drastischer nicht sein. Laut einer neuen Studie verbringt das Fernsehgesamtpublikum in Deutschland mehr Zeit mit der Streamingplattform Netflix als mit jedem einzelnen klassischen linearen Sender, Tendenz steigend.
Das ergab eine gemeinsame Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die in dieser Woche in Branchenkreisen für Aufsehen und Ärger sorgte. Dem Papier zufolge steht ARD, ZDF, RTL und Sat.1 ein wachsender Schwund bei ihren Zuschauerzahlen bevor. Nur noch etwa die Hälfte der Sehzeit (54 Prozent) verbringt das Publikum demnach heute mit linearem Fernsehen, Tendenz fallend.
In den Top 5 bei der Gesamtsehzeit ringen die drei großen linearen deutschen Fernsehanbieter mit den beiden großen Streamingplattformen: 10,3 Prozent des Zeitbudgets für audiovisuelle Medien des deutschen Gesamtpublikums kommen der Erhebung zufolge Netflix zugute. Auf den Plätzen danach folgen RTL (10,0 Prozent), ZDF (9,8 Prozent) und ARD (8,8 Prozent), dann Amazon (8,7 Prozent).
Eine Entwicklung, die sich nach den Berechnungen der Autoren der Studie fortsetzen wird. Etwa ein Drittel des TV-Konsums werde in zehn Jahren zu den digitalen Plattformen abwandern - bei jungen Zuschauern sogar zwei Drittel. Die Folge wäre nicht nur ein massiver Bedeutungsverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, sondern auch ein ebenso massiver Einbruch der Werbeeinnahmen bei den privaten Sendern. Beide Faktoren zusammengenommen dürften die deutsche Medienszene komplett umkrempeln.
Wohin steuern die deutschen Medien?
Die Studie unter dem Titel "Quo Vadis, deutsche Medien? Zur Zukunft deutscher Fernsehanbieter in digitalen Streaming-Zeiten", die auch im Netz einsehbar ist, fußt auf der Befragung von 1600 deutschen Fernsehzuschauern. Das Unternehmen Roland Berger hat sie nicht im Auftrag eines einzelnen Kunden erstellt, sie soll aber bei zukünftigen Beratungstätigkeiten für Medienhäuser lösungsorientiert einfließen. Ein wichtiges Detail, denn - klar - je drastischer der Berger-Befund ausfällt, desto stärker dürften sich die potenziellen Beratungskunden angesprochen fühlen, die mit diesem Befund akquiriert werden sollen. Diesen legitimen kommerziellen Aspekt muss man bei der Bewertung der Studie im Hinterkopf haben.
Denn momentan tobt auch ein Deutungsstreit darüber, wer die mit den alten Methodiken der Zuschauervermessung nicht mehr fassbaren Verschiebungen auf dem disruptiven Fernsehmarkt der Gegenwart am besten darzustellen vermag. Deshalb regte sich sogleich heftiger Widerspruch, als der "Quo Vadis"-Bericht veröffentlicht worden war.
Die ARD warf den Autoren der Studie handwerkliche Mängel vor. "Wesentliche Aspekte der zugrunde liegenden Untersuchung werden nicht transparent gemacht", sagte ein Sprecher. Dies gelte etwa für die methodischen Standards zur Erhebung von Reichweiten und Zeitbudgets. Auch die "sehr kurze Feldzeit von nur zwei Wochen für 1571 Fälle lasse "an der Repräsentativität der Erhebung zweifeln", so die ARD. Weiterer Kritikpunkt: "Die Studie beansprucht nur für die Gruppe der 16- bis 69-Jährigen Gültigkeit. Ob sie zumindest für diese Gruppe repräsentativ ist, kann aufgrund der fehlenden Angaben gar nicht beurteilt werden."
Oder schauen doch noch 76 Prozent linear?
Gleichzeitig verwies die ARD auf die erst kürzlich veröffentlichte repräsentative Studie "ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2019" mit den Ergebnissen des Kantar-Instituts. Die Daten basieren auf einer repräsentativen Dual-Frame-Stichprobe von insgesamt 2000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland und wurden in einem Zeitraum von Ende Januar bis Mitte April 2019 erhoben, also tatsächlich über einen sehr viel längeren Zeitraum als die bei der "Quo Vadis"-Studie. Die Kernaussage lautet: In der Gesamtbevölkerung macht lineares Fernsehen den noch weit überwiegenden Teil der Bewegtbildnutzung aus. Der Anteil liegt hier bei 76 Prozent.
Also doch alles nicht so schlimm für die Linearfernsehanbieter in Deutschland? Doch, doch, richtig schlimm. Auch die Kantar-Studie weist - weniger drastisch, aber doch sehr deutlich - den Abschied junger Zuschauer vom klassischen Fernsehen nach. Dort heißt es: "Analog zur Nutzungsdauer zeigt sich auch nach Reichweiten bei unter 30-Jährigen der Trend zur zeitsouveränen Nutzung von Video und Audio: Streamingdienste, Videoplattformen und Mediatheken haben dabei die klassischen Verbreitungswege eingeholt."
Wie man also das Publikum auch vermisst: Der Strukturwandel im Fernsehkonsum ist offensichtlich. Professor Thorsten Hennig-Thurau von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster fordert deshalb im Gespräch mit dem SPIEGEL ein "substanzielles Umschalten" der deutschen Fernsehanbieter: "Leute, wacht auf! Ihr macht tolles Fernsehen, aber tolles Streaming macht ihr noch nicht."
US-Kapital flutet den Markt
Tatsächlich können die Weckrufe nicht drastisch genug sein. Zur Zeit fluten US-Konzerne auch den deutschen Markt mit Kapital. Ein knallharter Verdrängungswettbewerb, der sich durchaus auch aufs hiesige lineare Fernsehen auswirkt (Lesen Sie hier einen ausführlichen Artikel über die Zukunft des Fernsehens). Denn zu den beiden etablierten Plattformriesen Netflix (Umsatz 2018: 15,8 Milliarden Dollar) und Amazon (247,1 Milliarden) stoßen in diesem November nicht nur Apple (304 Milliarden) als neuer Mitbewerber, sondern auch der Disney-Konzern (59,5 Milliarden). Zudem hat der Unterhaltungsgigant Warner Media (Umsatz mit Mutterfirma AT&T zusammen: 189,7 Milliarden) angekündigt, sein Portfolio mit TV-Anbietern wie HBO oder TNT strategisch zu bündeln und breiter aufzustellen.
Dabei sind die neuen Player aus den USA nicht nur in Sachen Kapital besser aufgestellt, sondern vor allem auch in Sachen Kundenbindung. Ein Aspekt den Niko Herbig, der die "Quo-Vadis"-Studie für Roland Berger verantwortet, in der Einführung benennt: Im Gegensatz zum Linearfernsehen verfügt die digital organsierte Konkurrenz über exakte Kundenprofile: "Dank profunder Datenanalyse wissen die Streaming-Anbieter genau, was der Zuschauer gerne sieht - und können so punktgenaue Empfehlungen abgeben. Wie wichtig dieses Knowhow ist, belegt folgende Zahl: Bei Netflix etwa gehen mehr als sechs von zehn Sehstunden auf eine personalisierte Empfehlung zurück."
Während also hierzulande darüber gerungen wird, wie man belastbare Daten aus Publikumsbewegungen generieren kann, hat die US-Streamingkonkurrenz längst eine exakte neue Form der Zuschauervermessung für sich gefunden.
Ob die Vertreter des deutschen Fernsehens, so wie wir es bislang kannten, aus diesen alarmierenden Erkenntnissen lernen, lässt sich zur Zeit nicht sagen. Bei der ARD-Intendantenkonferenz vergangene Woche wurden alle relevanten Entscheidungen in Sachen Digitalisierungen vertagt. Und gerade erst am Mittwoch feierte die Mediengruppe RTL mit Voxup den Start des neunten Kanals im Haus, ein linear programmierter Free-TV-Sender, bei dem nochmal alte Hits des Senderverbunds wie "Shopping Queen" oder "Ally McBeal" abgenudelt werden. Die Zukunft des Fernsehens sieht anders aus.
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2019-09-27 10:24:00Z
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