Abgehört - neue Musik: Faber, Moor Mother, Apache 207, SebastiAn - SPIEGEL ONLINE
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Die unverschämte Ambivalenz des Schweizer Sängers Faber macht großen Spaß. Ebenso wie der Rollerdisco-Rap von Apache 207. Außerdem: Geisterstunde mit Moor Mother und Faustdickes von SebastiAn.
Faber - "I Fucking Love My Life"
(Irrsinn/Vertigo Berlin/Universal, seit 1. November)
Einer der schönsten Diss-Tracks des Jahres kommt nicht von einem Rapper, er ist noch nicht mal Hip-Hop, sondern der angetrunken durch die Balkandisco torkelnde Chanson "Top" von Faber. Der 26-jährige Schweizer, der eigentlich Julian Pollina heißt, macht sich im Refrain über die gängigen, oft sexistischen Schlager-Raps und -Topoi lustig: "Ich schau dich an und du siehst top aus/ Baby schau mich und zieh dein Top aus/ Ey, mach's wie mit einem Lollipop/ Dann kauf' ich dir was Schönes bei Topshop", kräht er mit seiner inzwischen vertrauten Alkoholleichenstimme, um dann in der Strophe ätzende Kritik am Social-Media-, Konsum- und Ignoranz-Lifestyle zu üben: "Ich steh für gar nichts, doch nicht allein da, ja/ Mein Nachbar benutzt Insta als Newsportal/ Und bis auf dein Spiegelbild ist auch dir alles ziemlich egal".
Machismo, Sexismus, allgemeine moralische Verkommenheit, all das wurde dem Sänger nach seinem erfolgreichen Debüt bereits vorgeworfen, andere bestaunten seine unverschämte Ambivalenz. Auf seinem zweiten Album macht er genauso nonchalant-provokant weiter, zeigt aber noch deutlicher als zuvor politische Nerven - was ihn fast noch attraktiver macht.
Am stärksten zeigt sich das im Dumpfbürger-Rant "Das Boot ist voll", dessen ursprüngliche Refrainzeile zunächst so ging: "Besorgter Bürger, ja/ Ich besorg's dir auch gleich/ Geh auf die Knie, wenn ich dir mein' Schwanz zeig/ Nimm ihn in den Volksmund/ Blond, blöd, blau und rein." Das war dann sogar dem immer gerne unverblümt erzählenden Faber zu deftig, nachdem es angeblich sogar Morddrohungen gab. Aber auch die entschärfte Version ist eine mit heiserer Verachtung am Piano gesungene Klage gegen Rechtsruck, Rassismus und Kaltherzigkeit gegenüber Fremden und Flüchtlingen: "Besorgter Bürger, ja/ Ich besorg's dir auch gleich/ Wenn sich 2019 '33 wieder einschleicht/ Wenn Menschlichkeit und Verstand deiner Wut weicht". In solchen Momenten, es sind nur wenige, verblenden sich die Chansonniers und Cantautori aus Fabers Inspirationsspektrum mit Liedermachern wie Wader und Wecker.
Der Rest ist herrlich melodramatische Rausch- und Rollenprosa. In Songs wie "Sag mir wie du heißt", "Komm her" und "Highlight" gibt Faber den verkokst-verkaterten Playboy, den er auch auf dem Klatschmagazincover des Albums darstellt. Dieser Strizzi hat "4G" auf dem Handy, was hier nicht für die Mobilfunkgeneration steht, und "mehr Highlight im Gesicht als im Leben". Er ist das früh von Ruhm und Selbstbesoffenheit gezeichnete Seelenwrack, der "für alles zu haben" ist, "doch fürs meiste zu breit". Aber er findet's geil. "Und ich frag' mich, was hab' ich denn getan/ Ich Hure wollte euch doch nur gefallen", singt er. Schuld sind immer die anderen, weiß der Narzisst.
Aber hier erhebt sich keiner über die Erbärmlichkeit der Welt, er sitzt feixend mit uns in derselben Patsche, spritzt hier mal ein bisschen Dreck hin, pinkelt dort mal hinein: "Ach wie schön, ach wie süß", höhnt er in der Gitarrenballade "Ihr habt meinen Segen" über Normalos und ihre Beziehungssehnsüchte. In "Generation YouPorn" geißelt er identitätspolitisch gewiefte und klimabewusst aktive Naseweise, die ihm zum Glück die Welt erklären können: "Ich bin so dumm, ich kann das alles überhaupt nicht mehr verstehen", krakeelt er, nachdem er schon wieder "aus Versehen" mit vier Promille im Straßengraben aufgewacht ist. "Die Alten sagen ständig, wir sind jung und dumm", singt er - und entgegnet trotzig: "immerhin jung". Es sind Manifeste der Ratlosigkeit, des Trudelns durch ein Leben, das keine "Backstage" ist, sondern immer "Stage" sein muss, aber dennoch jeden Tag voll und inhaltsleer zugleich: "Auf alle eure Fragen habe ich selten was zu sagen".
Den neuen Leiden des jungen F. zuzuhören, macht oft großen Spaß, vor allem wenn er sich in "Vivaldi" in die Gedankenwelt eines weiblichen Fans versetzt, dann offenbart sich eine stolze Heiterkeit über die schillernde, von ihm geschaffene Kunstfigur Faber, das verbotene Früchtchen: "Komm, komm wir drehen Sexszenen/ Wie's in deinem Text steht", lässt er die Protagonistin über eine musikalische Anverwandlung von Billie Eilishs "Bad Guy" sagen, und: "Ein Sexist wie du, der träumt doch jeden Tag vom Vögeln". Wirklich? Vermutlich schon, aber das heißt ja nicht, dass er nicht dennoch ein Sensibelchen ist. (8.2) Andreas Borcholte
Preisabfragezeitpunkt:
04.11.2019, 16:31 Uhr
Ohne Gewähr
Moor Mother - "Analog Fluids Of Sonic Black Holes"
(Don Giovanni/H'Art, ab 8. November)
In dieser Musik geschieht vieles gleichzeitig, oft an der Grenze zur Überreizung. Spoken Word, durch den Mixer gedrehte Stimmen, Hip-Hop, stumpfe oder kunstvoll verstolperte Beats, Störgeräusche, Industrial-Versatzstücke und Bass-Dröhnen sind auf dem zweiten Album von Moor Mother so verdichtet, dass die Stücke immer wieder wirken wie Collagen, nicht wie Songs. "Analog Fluids Of Sonic Black Holes" greift einen körperlich an. Es gibt zurzeit wenig, was so komplex und zugleich so konfrontativ klingt wie die Musik der US-amerikanischen Poetin und Aktivistin Camae Ayewa, sowohl was die Soundästhetik betrifft als auch die Lyrics.
Die Stücke des Albums erzählen von Gewalt, der strukturellen und der unmittelbar körperlichen, die die Geschichte der Afroamerikaner in den USA seit der Sklaverei bis heute bestimmt. Es sind Klangbilder der Zerstörung, Geschichts- und Geisterstunde gleichermaßen: Im albtraumhaften Track "LA92" erinnert Ayewa an die Riots in Los Angeles, die 1992 unter anderem durch die Ermordung der 15-jährigen Latasha Harlins ausgelöst wurden. Ihr Name und viele andere werden in Moor Mothers Musik aufgerufen, auch deswegen hat sie in vielen Momenten etwas Unheimliches: Man höre nur die entrückt klagenden Stimmen, die durch "Shadowgrams" spuken. Ein weiteres Stilmittel ist Drastik, etwa wenn in dem zweiminütigen Track "Don't Die" die Titelzeile in einer Weise geschrien wird, dass es einem mulmig wird.
Das letzte Stück, "Passing Of Time", erinnert an Ayewas Vorfahren: "My mama, my grandmama, my great-great-great grandmama/ Picked so much cotton they saved the world/ All by themselves". Es geht um Kontinuitäten, um eine Herrschaft der Sklaverei, die bestehen bleibt, auch wenn sie durch die Jahrhunderte ihre Gestalt wandelt. "Politisch" ist das aber nicht in der Weise, wie man es aus der Tradition des politischen Liedes kennt, als moralischer Appell etwa.
Die 13 meist kurzen Stücke wollen keine imaginäre Solidarität. Politische Ästhetik heißt hier, die Wahrnehmungskanäle zu öffnen, mit klanglicher Gewalt und nicht ohne Drohung: "You think this hell won't come for you?!" bellt Moor Mother in "After Images". Das klingt, als müssten alle, auch die, die sich von so einer Zeile eigentlich nicht gemeint fühlen müssen, es mit der Angst zu tun bekommen. (9.0) Benjamin Moldenhauer
Apache 207 - "Platte"
(Two Sides/Four Music/Sony, seit 24. Oktober)
Erfolgreiche Rapper vergleichen sich gern mit Fußball-Superstars wie Neymar. Volkan Yaman, 22, alias Apache 207 gibt sich zunächst bescheidener: "Ich stehe hier mit meinem Hemd in der Hose/ Denn ich bin - Indianer, Apache - Deutschraps Miroslav Klose", rappte er in seiner Single "Kein Problem". Im Video ließ er den Mercedes in der Tiefgarage und holte aus dem Kofferraum ein Paar goldglitzernde Rollerskates - mit denen er dann als tänzelnder Kleingangster-Rapper durchs nächtliche Mannheim fuhr, seine Heimatstadt.
Seitdem ist der Zweimetermann mit den langen Haaren, optisch weniger Klose als Ibrahimovic, zum Pop-Phänomen geworden: Mit Singles wie dem E-Scooter-Soundtrack "Roller" oder der Aufreißerballade "Wieso tust du dir das an?" generierte er fast 100 Millionen YouTube-Abrufe, mehr als 200 Millionen Streams und zwei Nummer-eins-Hits. Vor Kurzem erschien nun sein erstes, schlicht "Platte" betiteltes Album.

1 Faber: Nie wieder
2 Apache 207: Keine Fragen
3 SebastiAn: Sober
4 PBDY feat. Samuel T. Herring: Tears Or Rain
5 Moor Mother: After Images
6 Earl Sweatshirt: 74
7 Angel Bat Dawid: Black Family
8 Dominique Fils-Aimé: Where There Is Smoke
9 FKA Twigs: Sad Day
10 Haim: Now I'm In It
Yamans Karriere begann vor etwa einem Jahr noch mit der launigen, aber schlimm sexistischen Single "Kleine H**re". Inzwischen lässt sich der badische Selfmade-Star aber von dem Bietigheimer Schlagerrap-Profi Bausa betreuen - und formt seine Underdog-Attitüde weniger anstößig zur selbstironisch-coolen Antwort auf Capital Bra und andere Straßenrapper.
Statt auf Bad Boy macht Apache 207 auf Gigolo, statt Autotune-Singsang und Reggaeton-Monotonie gibt's bei ihm Italo-Disco und Achtzigerjahreflair. Volltreffer! Nur der "Indianer" ist natürlich ein Schuss ins kulturelle Abseits. (7.8) Andreas Borcholte
SebastiAn - "Thirst"
(Ed Banger/ Because Music/Caroline/Universal, ab 8. November)
Lieber eine blutige Nase als gar keine Streicheleinheiten? Auf dem Cover seines ersten Albums knutschte Sebastian Akchoté noch mit sich selbst. Jetzt verpasst er sich eine Tracht Prügel. Die Faust ist eine zentrale Metapher in SebastiAns Musik. Mitte der Nullerjahre war er einer dieser französischen Von-null-auf-hundert-Acts, die sich aus dem Daft-Punk-Fanclub direkt an die Spitze einer neuen Dance-Welle rüpelten. Es ging um Partykrach mit den Mitteln von Rock und der Megalomanie von Rap.
Neben der Rabaukendisco des Duos Justice empfahl sich SebastiAn als Mann mit den fetten Plastikfanfaren und einem irren Sinn für Timing. Beats zerlegte er prinzipiell in ihre Einzelteile und machte sie gerade dadurch wieder tanzbar. Es ist kein Zufall, dass SebastiAn zunächst vor allem als Remixer Furore machte. Seine Bearbeitungen von Songs von The Rapture, Kelis oder den Beastie Boys ziehen ihre Energie in erster Linie aus dem Akt des Kaputthauens.
In den Jahren nach dem Knutschalbum ("Total" von 2011) war SebastiAn unter anderem als Produzent für Charlotte Gainsbourg aktiv, er hing mit Frank Ocean ab und gab auf dessen Album "Blonde" - laut gewissen Quellen das beste der 2010er-Jahre - eine vernichtende 68-Sekunden-Analyse des Social-Media-Zeitalters zum Besten. Ed Banger, dem Pariser Label mit dem programmatischen Namen, ist er auch 14 Jahre nach seiner ersten EP treu geblieben. Im Titeltrack "Thirst", der wie eine Ouvertüre seines neuen Albums funktioniert, gibt es erst mal wieder die Faust. Für das Stück ließ SebastiAn von Regisseur Gaspar Noé ("Irréversible") eine Tanzflächenschlägerei filmen, in schön buntem Flackerlicht und mit Kunstblut in gekippten Kameraperspektiven.
Röhrende Gitarrenemulationen, bratzende Synthies und andere Schlüsselreize für die Magengrube werden auch auf dem Rest des Albums verlässlich geliefert, aber es geht SebastiAn mittlerweile weniger ums Abreißen der Tanzfläche als um Pop in allen Primärfarben. Dafür hat der Mann am Mischpult eine Menge Gäste eingeladen und ihnen das jeweils passende Bühnenbild gezimmert. Es gibt Beach-Boys-Chöre für Mayer Hawthorne ("Better Now") und Blockbuster-Streicher für Sevdaliza ("Sev"). Die alten Pop-Comedians Sparks singen einen Humptata-Song mit dem wunderbaren Titel "Handcuffed To A Parking Meter". Charlotte Gainsbourg haucht ein paar Gedichtzeilen über irgendwelche körperlichen Genüsse, die mit einem Schweinerock-Riff aus der Konserve kontrastiert werden. Und Syd von The Internet intoniert den Refrain "Let the doormen see you out" in einem flüsternden Tremolo, als ginge es um eine Liebeserklärung und keinen Rausschmiss.
Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Besser eine taubgeschlagene Fresse als gar nichts mehr spüren? Man wird das dumpfe Gefühl nicht los, hier könnte jemand wütend auf sich selbst sein, weil das mit der eigenen Wildheit nicht mehr so recht hinhaut. "Thirst" wirkt nicht etwa hungrig, zerrissen, sondern im Ausbalancieren unterschiedlicher Impulse richtiggehend befriedet. Was keine schlechte Nachricht ist. Nicht immer so aggro, Alter! (6.8) Arno Raffeiner
Wertung: Von "0" (absolutes Desaster) bis "10" (absoluter Klassiker)
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2019-11-06 08:05:15Z
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