"Athena" von Sudan Archives: Der Violinen-Vamp - SPIEGEL ONLINE
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Ein Vamp mit Violine - und Selbstbewusstsein: Die US-Musikerin Sudan Archives gibt auf ihrem Debütalbum "Athena" eine Göttin der vier Saiten. Ihre Musik ist ein Resonanzraum für afroamerikanische Geschichte.
Es gibt mehr Fiedelmichel im Pop, als einem lieb sein kann. Streber wie Owen Pallett, Poetinnen wie Laurie Anderson, aber auch Typen wie Nigel Kennedy und David Garrett, eher unsägliche Pferdehaarspalter aus der Crossover-Klassik. Sie alle kratzen jeweils sehr unterschiedlich über edle Darmsaiten. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie sind ganz schön weißbrotig.
Auftritt Brittney Denise Parks: kein Töchterchen aus höherem Hause, keine Absolventin diverser Musikhochschulen mit Diplom-Sammelwahn. Parks kommt aus einer streng religiösen Familie, die das Geld für den Einzelunterricht am Ende doch in neue Schuhe für sie und ihre Zwillingsschwester investieren musste. Trotzdem spielt sie unter dem Künstlernamen Sudan Archives ab sofort die erste Geige im Pop, und zwar zu ihren eigenen Bedingungen.
Die 25-jährige US-Amerikanerin bezeichnet sich selbst als "Ein-Frauen-Band-Geigerin". Den Umgang mit ihrem Instrument hat sie sich hauptsächlich autodidaktisch angeeignet. Dabei war sie weniger von Paganini-Legenden inspiriert als von Fiddlern aus dem Norden und Westen Afrikas. "Es ist eine Art Hassliebe", sagt sie im Interview über ihre Beziehung zur Geige. "Wir sind uns sehr nahe. Sie ist fast wie eine Erweiterung meines Körpers."
Parks spielt ihr Instrument oft nicht unters Kinn geklemmt, sondern zupft oder schrummt sie wie eine Gitarre und stöpselt sie in diverse Klangverbieger. Aus dem Korpus klopft sie Rhythmen und schickt sie in hypnotische Schleifen, unterfüttert von einem offenen Verständnis von Soul, Hip-Hop und der vernebelten Electronica der Westküste. Dazu singt sie mit einer Stimme, die manchmal zwischen den Klängen zerschmilzt wie die von Sade. All das ergibt den besonderen Pizzicato Jive, der nun auf "Athena" zu hören ist, dem ersten Album von Sudan Archives.
Preisabfragezeitpunkt:
29.10.2019, 10:49 Uhr
Ohne Gewähr
"Statt einem Orchester habe ich elektronische Geräte um mich herum", sagt Parks, "statt Beethoven zu spielen, mache ich meine eigenen Kompositionen." Man tut ihr ein wenig unrecht, wenn man sie nur auf das Gefiedel festnageln will. Aber mit ihrer Geige stellt Parks etwas Unerhörtes an: Sie macht das Hochschul-Folterinstrument par excellence zum Resonanzraum für afroamerikanische Geschichte.
Die "Archives" trägt sie nicht ohne Grund im Namen; Sudan wurde sie genannt, weil sie den Namen Brittney schon als Kind nicht mochte. Sie findet es schlüssig, wenn ihre Musik als Nachhall des Afrofuturismus wahrgenommen wird: als Teil einer langen Tradition, wenn es um den Entwurf alternativer Zukunftsszenarien der black community geht - und um das Gestalten der Gegenwart. "Ich bin von Natur aus afrofuturistisch. Das ist nichts, was ich kontrollieren könnte", sagt Parks.
Mit der Geige in der Hand greift sonst gerade niemand nach den Sternen und der Befreiung, die sie versprechen. Und doch ist die Musik von Sudan Archives fast idealtypisch für eine Bewegung innerhalb der afroamerikanischen Szene, die vom so eigenbrötlerischen wie traditionsbewussten Soul einer Solange Knowles bis zur Jazz-Genealogie von Matana Roberts reicht und sich auch in der bildenden Kunst wiederfindet, etwa in Werken von Arthur Jafa. Traditionslinien, die in der Geschichte durch andere, weiße Hegemonien überlagert sind, werden hier immer wieder neu aufgedeckt und behauptet.
Brittney Parks lebt heute in Los Angeles, aufgewachsen ist sie jedoch in Cincinnati, Ohio, und zwar vor allem in der Kirche. Sie bezeichnet sich heute noch als religiös, macht aber, im Gegensatz zu gewissen anderen Popstars, kein großes Aufhebens darum. Das Freistrampeln von ihrer christlichen Familie bestimmte große Teile ihres Lebens. "There is a place that I call home, but it's not where I am welcome", singt sie in "Confessions", einem zentralen Song auf "Athena". Die Zeile ist auf Erfahrungen in ihrem Elternhaus gemünzt.
Vor diesem Hintergrund, und da die Vorzeichen mittlerweile eindeutig auf Popkarriere stehen, gibt Parks umso offensiver den selbstbewussten Violin-Vamp. Im Video zu "Glorious" wirft sie sich in Nicki-Minaj-Posen - mit dem Geigenbogen im Anschlag. "Ich benutze meine Geige wie ein Schwert, um meine Feinde zurückzuschlagen", sagt sie. "Aber auch wie einen Köder, um die Leute anzulocken. Und dabei versuche ich, aus mir selbst schlau zu werden."
Aufsehen hatte Parks vor drei Jahren mit einer Umdichtung von "King Kunta" erregt, einem Hit von Rapper Kendrick Lamar. "Black woman taking no losses", hieß es in ihrer Version, und entsprechend wurde der Song umbenannt in "Queen Kunta". Sie performte ihn allein mit ihrer Geige und einer Loop-Station in einem Wohnzimmersetting, eher Klicker-Klacker-Klassik als Hip-Hop. Es war eine feministische Aneignung, eine Revolte mit den Mitteln des Biedermeier. Und damit eine Art Vorwegnahme dessen, was Sudan Archives mittlerweile auch auf größeren Festivalbühnen wie Coachella oder bei einem Geburtstagsständchen für Yoko Ono in Los Angeles zelebriert.

Sudan Archives bei einem Konzert in Oakland (2018): Revolte mit den Mitteln des Biedermeier
Nach zwei von der Kritik gelobten EPs setzt Parks sich jetzt mit ihrem Debütalbum selbst ein Denkmal. Das Cover von "Athena" zeigt die Bronze einer nackten, schwarzen Heldinnenfigur, die eine Geige in die Höhe hält, benannt ist das Album nach der griechischen Göttin der Weisheit und der Kunst, aber auch des Kampfes. Parks hat für die Skulptur ihren Körper in 3D scannen lassen und nimmt nun selbst den Platz der Athene auf dem Sockel ein. Gerade so, wie sich Sun Ra in den Sechzigern zum Sonnengott des Afrofuturismus machte.
An Selbst- und Sendungsbewusstsein scheint es ihr nicht zu mangeln. "Das Album ist wie der Soundtrack zu meinem Leben, sagt sie, "und wahrhafte Geschichten kann man nicht ohne Magie erzählen, daher dachte ich: Warum verwandle ich mich nicht in Athene? Sie steht für den Konflikt zwischen Gut und Böse. Das repräsentiert mein Album perfekt. Und es ist ein starkes Statement, mit dem ich sage: Ich will nicht, dass meine Musik je ausgelöscht wird. Jetzt wird sie nie mehr vergessen werden, da sie mit diesem Denkmal verbunden ist."
Geschichte wird gemacht. Und Zukunft auch. "When I was a little girl I thought I could rule the world", singt Parks im ersten Song von "Athena". Der Tonfall klingt an dieser Stelle eher resigniert und wirkt für eine Geigengöttin ein wenig unschicklich. Doch ihr ist längst bewusst, dass an ihrem Kindertraum vielleicht etwas dran sein könnte.
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2019-11-01 08:56:00Z
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